Wicked-Vision

Das Magazin für den phantastischen Film

http://www.wicked-vision.com/

Im Nebel des Novembers 2014 hat das etablierte Online-Magazin Wicked-Vision ein gewichtiges Print-Baby geboren. Ausgabe 1 dieses Magazins für den phantastischen Film „wiegt“ stolze 88 Seiten und besticht auf den ersten Blick durch qualitativ wertige Aufmachung. Hochglanz, Papierstärke und beinahe vollständige Freiheit von Werbeanzeigen lassen vermuten, dass es sich hier nicht um eine schnell konsumierte Wegwerf-Zeitschrift handelt. Und auch der Blick ins Innere bestätigt, dass Wicked-Vision ein anderes Konzept verfolgt als viele der Film-Magazine zu den Genres Phantastik und Horror, die sich momentan auf dem Markt befinden.

„Cthulhu lebt!“ verkündet die Headline von Wicked-Vision #1 programmatisch: Während das Online-Standbein des Magazins den Schwerpunkt auf Film-/DVD-Rezension legt, wählt sich die Print-Variante ein zentrales Thema, dem sie pro Heft ausführlich nachgeht. Ein tiefer Blick in das unheimlich-phantastische, „cthuloide“ Universum von H.P. Lovecraft erwartet den Leser von Ausgabe 1. Das Heft begleitet die Wicked-Vision-eigene Edition der Lovecraft-Verfilmung From Beyond. Was ursprünglich „nur“ ein Booklet zur Blu-ray werden sollte, liegt jetzt als ambitioniertes Projekt zu Lovecrafts Werk und Einfluss auf die Populärkultur vor. Populärkultur meint zunächst das Medium Film: Neben From Beyond stehen in dieser Ausgabe weitere Verfilmungen von Lovecraft-Geschichten wie Re-Animator und The Unnamable im Mittelpunkt. Dies mag manchem Lovecraft-Fan bitter aufstoßen: Nicht ohne Grund gilt der subtile Schrecken dieser Literatur als schwerlich ins Filmische übersetzbar, zumal v.a. Low Budget-Produktionen des Horror-Genres zur unfreiwilligen Komik visueller Konkretion tendieren. Während aber die Artikel des Wicked-Vision-Magazins die Frage nach der Übersetzbarkeit aufwerfen, bieten sie zugleich einen fundierten Blick auf die filmischen Nachgeburten der Geschichten Lovecrafts, der auch Skeptiker auf die Verfilmungen neugierig macht. Bereichert wird das Magazin durch amüsant präsentierte Hintergrundinfos: wie z.B. From Beyond den „Alternativtitel“ From Behind abbekam oder wie die deutschen Jugendschutzbehörden in den 1980er Jahren in diesem Film zwischen „Lederdomina“ und „ekelerregenden Gestalten“ die Würde des Menschen verletzt sahen. Auch Details aus Lovecrafts schwieriger Biographie sowie Interviews mit Beiträgern zu seinem phantastischem Universum, z.B. mit Regisseur Roger Corman oder Tattoo-Artist Tommy Lee Wendtner, erweitern die Annäherung an das aktuelle Thema und „cthulhoide“ Kulturspuren.

Über den filmischen Schwerpunkt hinaus liegt im Verfolgen dieser Spuren die Stärke des Konzepts von Wicked-Vision. Dessen erste Ausgaben verstehen sich, so Wicked Mastermind Daniel Perée, durchaus als Nachschlagewerk zum multimedialen Universum um den Literaten Lovecraft. Dank übersichtlicher Gestaltung funktioniert das Magazin beinahe wie ein Archiv. Es bietet Ein- und Überblick über die Lovecraftschen Adaptionen und Hommagen in den unterschiedlichsten medialen Formaten. Ob Film, Comic, Computerspiel, Musik oder auch Tätowierung – dank der Themenbreite offenbart das Wicked-Vision-Magazin, in welchem Ausmaß die Gottheiten der Lovecraftschen Mythenbildung ihre Tentakel im popkulturellen Spiel haben. Die Zusammenstellung der direkten Comic-Bearbeitungen, angelehnten Games, intellektuellen Auseinandersetzungen von Autoren wie Michel Houellebecq oder inspirierten Songs von Fields of the Nephilim bis Metallica vermittelt einen umfangreichen Eindruck vom Phänomen der Lovecraftschen Adaption, Reflexion und Inspiration. Ganz im Sinne der Philosophie des amerikanischen Schriftstellers wird dabei eine phantastisch-schaurige Dimension deutlich, die in der Populärkultur aufscheint – cthuloid-kulturelle Spuren, die weiter reichen, als es Lovecrafts nur relative Popularität erahnen lässt.

Mit seiner ersten Ausgabe widmet sich das Wicked-Vision-Magazin somit einem der bedeutendsten, aber gemeinhin weniger beachteten Autoren phantastischer Literatur und seinem kulturellen Nachlass. Dank seines Nachschlagewerk-Charakters richtet sich Wicked-Vision #1 gleichermaßen an Lovecraft-Liebhaber, die längst im Schatten über Innsmouth gewandelt sind, sowie an Phantastik-/Horror-Interessierte, die sich im Lovecraft-Universum orientieren wollen. Dabei überzeugt das Gros der Artikel durch ein ausgewogenes Verhältnis von Information und Rezension, vor allem aber auch charmante Unterhaltsamkeit. Denn abgesehen von seiner unkomplizierten Ausdrucksweise entwickelt das Magazin gerade dadurch Charme, dass es (s)eine Faszination für H.P. Lovecrafts Werk und Nachwirkung nicht unterbindet, sondern wiederholt thematisiert. Somit ist diese erste Print-Ausgabe von Wicked-Vision nicht nur als Film- und Kulturmagazin, sondern zugleich als aufwendig gestaltete Hommage zu lesen.

Zu beziehen ist das Wicked-Vision-Magazin per Mail-Order über die Adresse info@wicked-wishes.de.

Katharina Weiß