Alain Robbe-Grillet
1. Das beständige Gleiten der Begierde
2. Der Ruf der Gradiva

BESTELLEN

Label: Donau Film
Laufzeit: 102 Min., 114 Min.
Produktionsjahr: 1974, 2006
Produktionsland: Frankreich
Regie: Alain Robbe-Grillet
Bildformat: 1,66:1, 1,85:1
Ton: Deutsch, Französisch (DD 2.0)
Untertitel: Deutsch
Extras:
Interview mit Robbe-Grillet
Trailer, Bildergalerie
16-seitiges Booklet von Dr. Marcus Stiglegger

In meiner Rezension zu „Eden und danach“ nannte ich die Veröffentlichung des Films „ein kleines Wunder“, denn im Testament des Regisseurs Alain Robbe-Grillet findet sich die Verfügung, dass keiner seiner Filme auf einem Heimmedium vertrieben werden soll. Nun geht das Wunder weiter. Wie schon bei „Eden und danach“ ist es Donau Film erneut nach vielen Umwegen gelungen, ihre Robbe-Grillet-Reihe mit „Das beständige Gleiten der Begierde“ und „Der Ruf der Gradiva“ fortzusetzen.

Auf den ersten Blick könnten die beiden vorliegenden Filme nicht unterschiedlicher sein: „Das beständige Gleiten der Begierde“ ist vordergründig ein Whodunit, der sich narrativ sehr kryptisch und formal experimentell präsentiert. „Der Ruf der Gradiva“, der letzte Filme Robbe-Grillets, dagegen erscheint zugänglicher und z.T. ironisch distanzierter. Inhaltlich drehen sich beide jedoch um die Suche nach einer bestimmten Person. Einmal ist es ein Mörder, das andere Mal ist es die Muse eines Künstlers:

In „Das beständige Gleiten der Begierde“ wird eine junge Frau verdächtigt, ihre Zimmernachbarin umgebracht zu haben. Bei den Verhören durch die Polizei gleitet sie zunehmend in traumartige Sexphantasien ab, die auch bald Einfluss auf ihre Umwelt haben.
„Der Ruf der Gradiva“ zeigt einen jungen Mann, John Locke, der im Orient nach Bildern des Malers Delacroix forscht. Die Bilder zeigen alle eine schöne Frau namens Gradiva, die dem Künstler in sklavischer Haltung zu Willen sein musste. Die Spur nach Gradiva führt in einen geheimnisvollen Harem, in dem Locke mit seinen unterbewussten Begierden und Sehnsüchten konfrontiert wird.

In beiden Filmen geht es um die Erreichung eines äußeren Ziels. Der Weg dorthin führt in die eigene Psyche. Am Ende steht die Begegnung mit dem Ich.

Wie schon „Eden und danach“ präsentieren sich auch die Nummern #2 und #3 aus Donau Films Robbe-Grillet-Reihe in sehr ansprechender Aufmachung im Schuber, dessen Optik allerdings nicht mit der Veröffentlichung von #1 konform ist. Der auffällige rote Rand fehlt hier, was sich aber durchaus positiv auswirkt, denn durch das neue Design erhält die Verpackung einen sehr edlen Anstrich. Das 16-seitige Booklet enthält einen ausführlichen Essay von Filmwissenschaftler Marcus Stiglegger, der darin sehr fundiert über die Vielschichtigkeit und Bedeutung von Robbe-Grillets Werk referiert. Allerdings muss angemerkt werden, dass sich in allen Titeln der Reihe das selbe Booklet befindet.

Sowohl Bild als auch Ton beider VÖs sind großartig. Die französische Tonspur ist der exklusiv hergestellten deutschen Synchronfassung allerdings vorzuziehen. Die zwar guten aber nicht immer passenden deutschen Stimmen wirken leider zuweilen in Sachen Sprachvertonung ungeübt, was auf die Dauer eine störende Wirkung haben kann. Das mag aber primär denjenigen Rezipienten auffallen, die sich eingehend mit Synchron- und Hörspielarbeit befassen.

Zwei sehr interessante und unterhaltsame Interviews, die den großen Alain Robbe-Grillet auch von einer sehr menschlichen und selbstreflexiven Seite zeigen, runden die beiden schönen Veröffentlichungen ab, die zeigen, dass die Zeit liebevoller und bedeutender DVD-Releases in Deutschland zum Glück noch nicht beendet ist.

Zwei inspirierende Filme, die es wert sind, wiederentdeckt zu werden. Beide Titel zusammen vermitteln einen guten Eindruck, wie sich Robbe-Grillets künstlerische Arbeit zwischen den Jahren 1974 und 2006 verändert hat. Zwei Zeitdokumente des französischen Arthouse-Kinos.

Kai Naumann