Guitar Wolf

Live in Wiesbaden, Schlachthof 5.6.2004

Die japanischen Garage-Rock’n Roll-Ikonen Guitar Wolf geben keine Konzerte. Wenn Seiji, Billy und Toru in schwarzem Leder mit Sonnenbrillen die Bühne betreten, wird vor der theatralen Basissituation Darsteller-Zuschauer-Raum ein Happening lanciert. Zu Anfang stehen stilisierte Posen, in ihrem hyperbolischen Gebrauch selbstironisch gebrochen: Während Billy und Toru die Rockabilly-Tollen zurecht frisieren, entleert Seiji unter Applaus ohne Absetzen eine Flasche Bier. Dann geht es mit dem Opener Planet Of The Wolves los in den dreistelligen Dezibelbereich. 30 Minuten. 60 Minuten. 90 Minuten. 120 Minuten. Ohne Pause.

Songs wie Kawasaki Z11 Rock N' Roll , Fujiyama Attack und Machine Gun Guitar, die stets Link Wray, Johnny Thunders, Joan Jett oder die Ramones zitieren, sich aber schließlich in einem orgiastischen Noise-Teppich, den Schlagzeug und Bass immer weiter aggressiv nach vorne treiben, selbst sublimieren. Derweil wird ein Prozess des Performativen in Gang gesetzt, bei dem konträr zum traditionellen Konzert Raum und Zeit in der Erfahrung des Publikums als Referenz zur Lebenswelt unverändert bleiben und der letztliche Ablauf des Geschehens mit der Aufhebung der Bühnengrenze ungewiss ist respektive zu einem Großteil in der Hand des Zuschauers liegt.

Dieser versorgt die Musiker mit Alkohol, ringt mit Seiji um die Wette oder wird selbst auf die Bühne geholt, um der Gitarre Töne zu entlocken, während Seiji sich am Boden windet und Unverständliches in anglisiertem Japanisch brüllt. Das Mikrophon wandert inzwischen durch den Raum des vollbesetzten Clubs, ebenso wie Seiji, der Gitarre spielend mehrmals sowohl kniend als auch liegend über den Köpfen des tobenden Publikums auf Händen bugsiert wird. Dreimal gibt die Band Zugaben, nachdem sie wiederholt schon im Backstage-Bereich verschwunden war. Zuletzt betritt Seiji noch einmal alleine die Bühne und erfüllt dem Publikum den finalen Song-Wunsch, indem er die herzzerreißend emotionale Noise-Ballade I love you, ok intoniert. I love you, too.

Ivo Ritzer