Sonderübertragung präsentiert:

Beachhead

Drowning Tonight E.P.

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(Sonderübertragung / Tesco 2004) CD 11 Tracks

Wer in den achtziger Jahren bereits die Entwicklung der elektronischen Musik verfolgen konnte, wird sich vermutlich in positiver Schwärmerei an die Synthiepopband Boytronic erinnern, die mit Hits wie "YOU", "Luna Square" oder "Man in a Uniform" noch heute gelegentlich in den Clubs zu hören sind. Die Retrobewegung bringt also gelegentlich auch ihre kleinen Höhepunkte hervor, und so kann man sich auch über den avancierten atmosphärischen Elektropop freuen, den die Zusammenarbeit von Antlers Mulm und Boytronic - namentlich Hans Johm und Holger Wobker - mit sich bringt.

Wobkers Stimme klingt auch heute noch männlich - mit einem einschmeichelnden Timbre - und Johms musikalische Untermalung greift auf die eingängigen Strukturen der vorangehenden Antlers Mulm-CD zurück. Dabei kann man von einer sanften Kollision düsterer Indsutrial-Ambient-Passagen und melancholisch-poppiger Elektronikakzente sprechen.

Die vorliegende CD - wie alle SÜ-Produkte bislang in einem minimalistisch bedruckten Faltkarton herausgebracht - ist in zwei Sektionen aufgeteilt, die sogar stimmlich angekündigt werden: der Hauptteil (2-5) bietet 5 neue Stücke, der Nachtrag (8-13) besteht aus Dekonstruktionen und Remixen - ein Prinzip, das bereits auf der Lovespell-CD (s.u.) aufging. Im Zentrum steht dabei der Titeltrack "Drowning Tonight". Obwohl sich hier und da pumpende Bassbeats einschleichen, kann man nicht von einer Dancefloor-kompatiblen Scheibe sprechen. Ziel ist es eher, auf den jeweiligen musikalischen Sektoren zu forschen und sich am ambivalenten Ergebnis zu erfreuen.

Fans von Antlers Mulm (s.u.) wird diese Beachhead-CD möglicherweise etwas zu gefällig sein, doch grundsätzlich kann man das Expiement als gelungen betrachten: die emotionale Fusion von Synthipop und Experimentalelektronik.

MaNic

 

Lovespell

Symmetric Poetry

(Sonderübertragung / Tesco 2004) CD 11 Tracks

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An den innovativen wie faszinierenden Sound der letzten Antler's Mulm-CD auf dem gleichen Label Sonderübertragung präsentiert Hans Johm nun das Projekt befreundeter MusikerInnen, die unter dem Namen Lovespell mühelos an die gesetzten Erwartungen anknüpfen können. Wobei Lovespell zugleich ihrem Namen entsprechend vergleichsweise filigraner zu Werke gehen...

Gleich im ersten Stück "Rainbow Bridge" pochen gleichmäßige Pulsrhythmen und werden von einem elektronisch verfremdeten Streichermotiv variiert. War bei Antlers Mulm noch eindeutig die britische Band Coil der musikalische Bezugspunkt, meint man hier noch früher in der Musikgeschichte suchen zu müssen, um ausgerechnet im deutschen Krautrock der 70er Jahre fündig zu werden: Einige der hier verwendeten Klänge tauchten bereits auf den besten Platten von Tangerine Dream und Klaus Schulze auf, die ihrerseits gerne mit verzerrten Streichern hantierten. Track 2 "Don't have a face" entfaltet dann mit verhallten, kühl dargebotenen Vocals und elegischen Keyboardflächen eine ähnliche nordländische Atmosphäre wie Hilmar Örn Hilmarsson auf der CD "Island". Eine gewisse poppige Qualität kann man Lovespell dabei nicht absprechen. Track 3 "M. reverence" geht dann mit zerhackten Minimalelektronryhtmen etwas industrialorientierter zu Werke. Auch hier schleichen sich glockenklare Klänge ein, wie man sie von Brian Enos legendären Ambientwerken kenn. Eine ganz eigene Melancholie eignet diesen Momenten.

Track 4 "Winter 2" wird dann deutlich düsterer und mystischer. Eine Variation dieses Themas (und Titels) wird dann wiederkehren in Track 7. Nr. 5 "Never Change" offenbart dann weitere minimalelektronische Einflüsse, die momentan nicht selten sind in der Musikwelt und - positiv gesehen - diese CD auch einem größeren Publikum zugänglich machen könnte. Track 6 "Pretty Flowers" wartet mit widerspenstigen Rhythmen und einer eingängigen Melodie auf, Track 8 greift noch einmal "Rainbow Bridge" auf und mixt daraus ein spannendes, soundtracktaugliches Rhythmuswerk. Nr. 9 "A gentle way to burn" wirkt dann mit den sakralen Frauenchoral-Sounds etwas klischeehaft - ist in Kombination mit dem Titel vielleicht sogar zynisch gedacht? Auch "Don't have a face" kehrt wieder, allerdings ebenfalls in etwas aggressiverer, beatlastiger Form, wohingegen die "last-change"-Version von "Never change" unerwartet akustisch wird: hier erklingen Klarinette und Akustikgitarre, was wiederum an Coil in ihrer "Horse-Rotorvator"-Phase erinnert. Was nicht heißen soll, dass Lovespell irgendwie als Epigonen einzustufen sind. Es gehört schon einiges dazu, zugleich an so sperrige wie eigenständige Musiker wie Coil und Klaus Schulze zu gemahnen...

Nach der eindrucksvollen Antlers Mulm-CD liegt mit Lovespell nun also ein weiteres Kleinod aus dem Hause Sonderübertragung vor... Musik aus Deutschland kann momentan kaum spannender sein. Man darf gespannt sein, welche Überraschung das nächste Mal wartet!

MaNic

 

Antlers Mulm

silbergrauer staub

(Sonderübertragung / Tesco 2003) CD 15 Tracks

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Eine der spannendsten und von Sound her unverbrauchtesten Veröffentlichungen dieses Jahres ist diese merkwürdige kleine CD von dem deutschen Einmannprojekt Antlers Mulm. Mit einfachen Mitteln wie Samples, Keyboardflächen und -melodien und leicht verzerrten Vocals gelingt es hier, eine zwingend dichte Atmosphäre zu kreieren, die einen schwebenden Zustand der Melancholie produziert, wie man ihn selten geboten bekommt.

Hier werden nicht etwa die Klischees der Darkambientmusik reproduziert (Bassgrollen, historische Samples etc.), sondern mit eher leichten und hohen Frequenzen eine ganz eigene Klangwelt geschaffen - filigran und komplex. Rätselhafte Texte ("Wege durch den schnellen Staub, Sonnensegel winken...") und rhythmische Akzente beleben die elegischen Melodien. "silbergrauer staub" lässt sich so als Hörfilm erleben und erinnert wohltuend an die ruhigen Stücke zwischen Coil und Joyeaux de la Princesse (wenn man einen Vergleich benötigt). - Durch die ungewöhnliche handgefertigte Pegament-Verpackung ist diese CD von Altlers Mulm zugleich ein Sammlertraum - und '-alptraum', da sich das Material als nicht sehr stabil erweist. Aber so behandelt man seine Tonträger wenigsten respektvoll.

Im Dezember 2003 erschienen ist auch die streng limitiert Cassette "Weihnachtsfunk", die an diesen Sound anschließt.

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