Altar Of Plagues

Teethed Glory & Injury

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Label: Profound Lore Records
Veröffentlichung: 30. April 2013
Format: 2xLP, CD (Digipak)
Spieldauer: ca. 48min

Black Metal unterliegt gegenwärtig einem Wandel. Die Versuche von Liturgy, Deafheaven und Wolfes in the Throne Room das Genre neu zu erfinden, werden dabei gleichermaßen als Verrat an der Tradition zurückgewiesen, wie von einem neuen Publikum mit großer Begeisterung aufgenommen. In vielerlei Hinsicht gleicht die Diskussion um die Szene-„Credibility“ der eben genannten Künstler einem sich in Selbstauflösung befindlichen Geheimklub, wie er Black Metal ja irgendwie auch immer gewesen ist. Die Vermischung mit anderen Einflüssen von Rock über Noise bis hin zu Electro wird dabei weniger als kreative Aktualisierung oder bedeutungsgenerierende Rekombination, denn als Verwässerung einer wie auch immer vorgestellten Essenz interpretiert.

Altar Of Plagues bewegen sich in diesem diskursiven Umfeld, mischen elektronische Samples mit Ambient-Passagen und brechen ihren technischen Hochgeschwindigkeits-Metal immer wieder mit statischen Drones. „Teethed Glory & Injury“ ist bereits das dritte Album der Band aus Irland, die nach einigen Besetzungswechseln nun zur Minimalbesetzung eines Trios zusammengeschrumpft ist. Black Metal wird auf diesem Tonträger durchaus frei interpretiert: Wie in dem dramaturgisch als Intro gesetzten Stück „Mills“, baut die Band ihre Komposition immer wieder durch lange und vom Post-Rock inspirierte Hinführungen auf, die dann kathartisch entladen werden. Der eigentlich obligatorische Blast-Beat wird dabei zu einem Stilelement unter vielen und verliert seine Hegemonie. Mit ihrem Mix aus Black Metal, aggressivem Hardcore, Industrial-Rock und elektronisch durchdrungenem Post-Rock bewegen sich Altar Of Plagues damit zwischen den umkämpften Genre-Grenzen, umspielen die Ränder der abgesteckten Bereiche und variieren auch gesanglich zwischen dem klassisch fauchenden Schreigesang sowie verhallten Chören.

Die stilistischen Reformulierungen beschränken sich auf „Teethed Glory & Injury“ nicht nur auf die Kompositionen, sondern spiegeln sich auch in der durchaus untypisch druckvollen und hochwertigen Produktion wieder. Der mehrdimensionale Sound arrangiert die Instrumente transparent im Stereobild und ist weit von der Keller-Atmosphäre der norwegischen Klang-Ästhetik entfernt. Einen Referenzpunkt findet dies auch im Artwork des Albums, welches Schwarz/Weiß-Photographien einer Tanz-Performance zeigt. Diese Bilder sind dem Video zu der Single „God Alone“ entnommen, das eher an eine moderne Ballett-Choreographie, als an brennende Kirchen denken lässt. Ausdruckstanz und Hochkultur gegen die Enge eines in die Jahre gekommenen Jugendkultes? Altar Of Plagues – so jedenfalls mein Eindruck – scheinen den Black Metal nicht endgültig zu Grabe tragen zu wollen, ihre stilistische Collage wirkt mehr wie ein Versuch der Widerbelebung. In der Konfrontation mit aktuellen Entwicklungen der Rockmusik sowie auch der darstellenden Kunst versucht die Gruppe auf das kreative Potential ihres eigentlich geliebten Genres aufmerksam zu machen und dessen Anschlussfähigkeit aufzuzeigen. Die zuckenden Körper vor den monochromen Hintergründen im Video zu „God Alone“ interpretieren in diesem Zusammenhang die Körperlichkeit der Musik auf eine neue Art und problematisieren dabei stereotype Bildwelten.

James Kelly, Gitarrist und Sänger der Band, veröffentlicht seit kurzem auch solo unter dem Pseudonym WIFE: hier experimentiert er mit Electro, Techno und Ambient. Während dieses Projekt die düstere Atmosphäre von Altar Of Plagues mit jedem Beat atmet, lassen sich dessen Spuren auch vice versa zwischen den Gitarren-Wänden und Blast-Attacken wieder entdecken. Ob sich damit ein erneuter Generationenkonflikt um die rechtmäßige Erbfolge und Fackelweitergabe (als die lebendige Tradition ja immer wieder kolportiert wird) entzünden wird, bleibt abzuwarten.

Patrick Kilian