Autorentheorie des Films II

Nils Ehring

Licht und Schatten

La Maschera del Demonio und I tre volti della Paura von Mario Bava

 

Die Filme von Mario Bava wurden über einen langen Zeitraum hinweg übersehen. Er ist vor allem ein Filmemacher, der von anderen Regisseuren geschätzt wird. So beschreiben zum Beispiel Künstler wie Martin Scorsese, John Carpenter, Joe Dante, Dario Argento oder auch Tim Burton, Bava als einen großen Einfluß für ihre Filme. Erst in den letzten Jahren, durch das digitale Medium der DVD, sind Bavas Filme wieder der Öffentlichkeit zugänglich. Immer mehr Werke des italienischen Filmemachers gelangen an die Oberfläche und machen den immensen Einfluß seiner Filme auf das Horrorgenre offensichtlich.

In den diversen Büchern über die italienische Filmindustrie und ihre bedeutenden Regisseure des letzten Jahrhunderts finden sich häufig Informationen zum Neorealismus. Der italienische Horrorfilm wird dort kaum erwähnt. Der Neorealismus war eine gegen Ende der vierziger Jahre in Italien aufkommende filmische Stilrichtung, „die sich durch betont kunstlose quasidokumentarische Abbildung von sozialer Realität auszeichnete,...“(1). Doch Mario Bavas Werke waren sehr weit entfernt von dieser Art von Film. Als ehemaliger Kunststudent war er vielmehr daran interessiert, kunstvolle und atmosphärische Werke zu erschaffen. So beschreibt zum Beispiel Riccardo Freda die Filme Bavas als das vollkommene Gegenteil zur neorealistischen Stilrichtung. In einem Interview sagte der Mentor von Bava, seine Werke seien „für all jene, die von Filmen mehr Phantasie und eine Flucht aus der Realität statt einer platten Wiedergabe des gewöhnlichen Lebens erwarten,...“(2). Mario Bava erschuf diese phantastischen Filme besonders mit Hilfe einer surrealen Lichtgestaltung.

Der Horrorfilm der sechziger Jahre arbeitete noch nicht mit expliziten und schockierenden Elementen wie zum Beispiel der besonders in den siebziger Jahren erfolgreiche Splatterfilm. Als Bava Filme drehte, war die Gestaltung von schauriger Atmosphäre mit Hilfe des Lichts wichtig. Ihm gelang es, wie kaum einem Anderen, Angst durch kleine aber präzise Lichteffekte zu erzeugen. Bava vereinte in seinen Filmen verschiedene künstlerische Stile aus diversen Epochen der bildenden Kunst. Besonders häufig wandte er Lichttechniken der barocken Malerei an, so zum Beispiel das Schlaglicht, welches sich in den Gemälden von Caravaggio und Rembrandt finden lässt.
Doch wie setzte Bava diese Techniken ein und zu welchem Zweck? Wie erzeugte er mit dem Licht eine Stimmung der Angst und Bedrohung? Welche Unterschiede der Lichtsetzung fallen auf, wenn man seine Schwarz-Weiß Filme mit seinen Farbfilmen vergleicht? Auf all diese Fragen soll die vorliegende Arbeit Antworten finden.

Zu Beginn werde ich eine kurze und präzise Biographie des Regisseurs präsentieren. Dies erscheint mir wichtig, da sich aus dem Lebenslauf von Mario Bava sein Hang zum kunstvollen Umgang mit Licht und Kamera bereits erklären lässt.
Im Hauptteil der Arbeit werde ich zwei Werke von Mario Bava untersuchen, welche meiner Meinung nach die herausragendsten Filme aus dem Gesamtwerk des italienischen Regisseurs darstellen. Zunächst werde ich sein in Schwarz-Weiß gedrehtes Regiedebüt La Maschera del Demonio (Die Stunde wenn Dracula kommt) aus dem Jahre 1960 genauer analysieren. Dabei wird besonderes Augenmerk auf die kontrastreiche Lichtgestaltung des Films gerichtet. Außerdem werde ich untersuchen, wie Bava das Licht und die Schatten verwendete, um eine morbide Atmosphäre zu erzeugen. Ebenfalls werde ich in diesem Abschnitt meiner Arbeit genauer darauf eingehen, wie der Regisseur Licht einsetzte, um die Psyche der Figuren zu visualisieren.

Das zweite hier zu analysierende Werk stellt seinen ersten in Farbe gedrehten Horrorfilm dar, mit dem Titel I tre volti della Paura (Die drei Gesichter der Furcht) aus dem Jahre 1963. Hier soll besonders die farbliche Gestaltung der drei Episoden des Films genauer untersucht werden. Außerdem soll dargestellt werden, wie Bava mit Farben Stimmungen erzeugte.
Im abschließenden Teil der Arbeit werde ich meine persönliche Meinung zu den behandelten Filmen äußern und die Bedeutung von Bavas Werken für das Horrorgenre aufzeigen.

 

Der Mann für alle Fälle

Mario Bava wurde am 31. Juli 1914, kurz nach dem Beginn des ersten Weltkriegs, in San Remo geboren. Sein Vater Eugenio Bava, ursprünglich ein Bildhauer, war bereits in der frühen Blütezeit des italienischen Kinos als Kameramann und Experte für Spezialeffekte im Filmgeschäft tätig. Der kleine Mario wuchs also in einer von Kunst und Film geprägten Umwelt auf. Später begann er in Rom, Kunst zu studieren, brach sein Studium allerdings aufgrund von finanziellen Problemen, aber auch wegen Schwierigkeiten mit dem Universitätssystem im faschistischen Italien ab. Daraufhin führte sein Vater ihn ins Filmgeschäft ein, und Mario wurde somit zum Assistenten des Familienoberhaupts am Instituto LUCE. Dort lernte er sein Handwerk von seinem Vater, der ihm den malerischen Einsatz von Licht lehrte und ihm viele Tricks im Bereich der Spezialeffekte beibrachte. Mario Bavas Karriere als Kameramann begann bereits im Jahre 1937 mit dem Film L´Avventura di Annabella. Schnell machte er durch seine innovativen Spezialeffekte und seine Ausleuchtungsideen auf sich aufmerksam. Im Laufe der fünfziger Jahre wurde er zum gefragtesten Kameramann und Filmtechniker in den Cinecitta Studios. Häufig wurde Bava angeheuert bei inszenatorischen Problemen in den unterschiedlichen Produktionen. Gab es ein technisches Problem oder Schwierigkeiten damit, aus einem geringen Budget so viel wie möglich herauszuholen, so war Bava der Mann, den man rief. So gelangte er auch zu seiner ersten inoffiziellen Regiearbeit. Im Jahre 1956, beim Dreh zum ersten italienischen Horrorfilm nach dem zweiten Weltkrieg mit dem Titel I Vampiri (Der Vampir von Notre Dame), zerstritt sich der Regisseur Riccardo Freda mit den Produzenten. Bis zu diesem Zeitpunkt war aber erst die Hälfte des Films abgeschlossen, also engagierte man Mario Bava, um den Film fertig zu drehen. Bereits dieses frühe Werk trägt die markante Handschrift des Regisseurs. Mit Licht und Schatten erzeugte er eine ungewöhnliche Atmosphäre und eine erotische Spannung. I Vampiri war zur damaligen Zeit kein großer Erfolg, da das italienische Publikum sich mehr für angloamerikanische Horrorfilme interessierte. Dennoch war der Film Initiator für eine Welle von Horrorfilmen aus Italien, die bis zum Beginn der achtziger Jahre den europäischen und amerikanischen Markt überflutete und später zu einer Übersättigung führte. Der spanische Regisseur Jesus Franco beschreibt jene Blütezeit des italienischen Kinos folgendermaßen:

„Dann, nach ein paar Jahren des Neorealismus [...], begann das goldene Zeitalter der gewaltigen italienischen Filmindustrie und die Tore der Phantasie wurden wieder weit geöffnet. Ihr Weg war, natürlich, von Bava und Freda geebnet worden.“(3)

Mario Bava war für die nächsten drei Jahre weiterhin tätig als inofizieller Co-Regisseur bei diversen Produktionen. Erst im Jahre 1960 führte er offiziell Regie bei seinem ersten Film mit dem Titel La Maschera del Demonio. Der Film war national und international ein voller Erfolg. Barbara Steele wurde durch ihre Doppelrolle zur Diva des europäischen Horrorfilms, und die amerikanische Produktionsfirma AIP erwarb die Rechte für das englischsprachige Ausland. Bavas Karriere als Regisseur war geebnet, und im Laufe seines Lebens schuf er ca. 25 Spielfilme. Darunter waren allerdings nicht nur Horrorfilme, sondern auch seichte Komödien, softe Erotikfilme und Western. Kurz nachdem er Dario Argento bei seinem Film Inferno im Bereich der Spezialeffekte unterstützt hatte, starb er am 25. April 1980 im Alter von 65 Jahren an den Folgen eines Herzinfarkts.

 

Der gotische Roman - Die schwarze Romantik

Der gotische Roman hat seinen Ursprung in der Frühromantik und stellt eine „englische Variante des Schauerromans“(4) dar. Dieser war eine Form der Unterhaltungsliteratur in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Der wohl bekannteste Autor dieser Literaturgattung war der deutsche Schriftsteller E. T. A. Hoffmann. Zu den bedeutendsten Werken der gothic novels zählt Frankenstein or The Modern Prometheus von Mary Shelley, oder auch der Roman The Monk von Matthew Gregory Lewis. Der gotische Roman repräsentiert eine schwarze und düstere Literaturform der Romantik.
Zunächst sollte festgehalten werden, dass der gotische Roman immer eine bestimmte Atmosphäre und ein gewisses Setting darbot. Diese Kriterien der schwarzen Romantik beschreibt der Autor von zahlreichen vom gotischen Stil angehauchten Kurzgeschichten, H.P. Lovecraft, in seinem Werk Die Literatur der Angst - Zur Geschichte der Phantastik wie folgt:

„An erster Stelle dieser neuartigen dramatischen Versatzstücke steht die weit-
läufig und verschachtelt angelegte, uralte gotische Burg mit ihren verlassenen oder verfallenen Gebäudeteilen,[...] und der unerschöpfliche Fundus von Requisiten, der seltsame Lichterscheinungen, feuchte Falltüren, plötzlich verlöschende Lampen, verborgene modrige Manuskripte, quietschende Türangeln, sich hin und her bewegende Wandteppiche und dergleichen umfaßt.“(5)

Auch Mario Bavas Regiedebüt ist angereichert mit den von Lovecraft erwähnten typischen Elementen des gotischen Romans. Die im gotischen Stil erbaute Burg mit vielen dunklen Gängen findet sich in zahlreichen seiner früheren Filme. Auch das Motiv der sich langsam quietschend öffnenden Tür ist dort anzutreffen. Ebenso die für den Gruselfilm typischen majestätischen Ritter-Rüstungen findet man dort. Bava verleiht diesen gotischen Versatzstücken eine unheimliche Aura und ein Eigenleben durch geschickte Lichtsetzung. Die oben erwähnten Objekte befinden sich häufig im Halbschatten oder im Dunkeln. Manchmal sind sie auch einfach grell beleuchtet. Ein Regisseur muss sich der Wirkung dieser unheimlichen Lichtgestaltung bewusst sein, denn „jedes Kind kennt die Gesichter der Dinge und geht mit klopfendem Herzen durch das halbdunkle Zimmer, in dem Tisch und Schrank und Sofa wilde Grimassen schneiden und mit wunderlichem Mienenspiel etwas sagen wollen.“(6)

 

Der Filmemacher lässt sich sehr gut mit dem Autor vergleichen. Sowohl in den Kurzgeschichten von Lovecraft, als auch in den frühen Werken von Bava oszillieren die Bereiche des Realen und des Surrealen. Doch während beim Autor das Grauen urplötzlich in die Realität eindringt oder aus ihr herausbricht, erschafft Bava eine filmische Welt, die ständig den surrealen Kosmos berührt und den Zuschauer somit mit einer unterschwelligen Gefahr konfrontiert. Wie Bava diese gefahrenvolle Stimmung erzeugte, soll in den folgenden Kapiteln erläutert werden.

Die niederschmetternden Kritiken und die Bedeutung der Atmosphäre
Die Bereiche der Logik werden in der Phantastik systematisch überschritten. Viele Kritiker bezeichneten Bavas Debüt als unlogisch und als einen „hanebüchenen Streifen“(7). Diese Aussagen zeugen von einer gewissen Ignoranz gegenüber dem phantastischen Stoff und legen eine falsche Herangehensweise an das Horrorgenre offen. Versucht man, die Werke des italienischen Regisseurs auf rationale Weise zu analysieren, so kommt man nicht weit. Bava waren die Atmosphäre und damit eng verbunden die Bildgestaltung wichtiger als der Aufbau einer logischen Dramaturgie. Auch Georg Seeßlen sieht die Vorzüge von Bavas Werken in der ästhetischen Gestaltung: „Bava hat eine Ästhetik des Todes und des Verbrechens kreiert. Zum Teufel mit der Logik. Es zählt nur die bildliche Schilderung der Gewalt;...“(8).

Hauptziel der Filme von Mario Bava und des Horrorfilms im Allgemeinen ist es, Emotionen und besonders Angst beim Zuschauer zu evozieren. Die Ratio des Betrachters wird allmählich ausgestaltet, bei Bava betritt er eine Welt der kunstvoll gestalteten artifiziellen Atmosphäre. Wie wichtig diese im Film und in der Kunst ist, beschrieb bereits Bela Balazs in seinem Buch Der sichtbare Mensch oder die Kultur des Films:

„Die Atmosphäre ist wohl die Seele jeder Kunst. Sie ist Luft und Duft, die wie eine Ausdünstung der Formen alle Gebilde umgibt und ein eigenes Medium einer eigenen Welt schafft.[...] Wenn diese Atmosphäre einmal da ist, kann die Unzulänglichkeit der einzelnen Gebilde nicht mehr Wesentliches verderben.“(9)
Hier wird deutlich, dass Balazs die atmosphärische Gestaltung eines Kunstwerks höher ansiedelt als seine logische Zusammensetzung. Erst wenn einem Kunstwerk eine Atmosphäre innewohnt, besitzt es eine Seele und ist fähig, die Seele des Betrachters zu berühren.

Bavas Filme erfüllen diesen Anspruch an die Kunst, sie erschaffen eine Atmosphäre auf der Leinwand und somit auch im Zuschauer. Seine Werke rütteln an unserem Unbewussten. Der offene Betrachter erlebt somit eine Veränderung in seinem Inneren, der Filmkritiker Christian Keßler beschreibt diesen Wandel in dem Booklet zur deutschen DVD von I tre volti della Paura
folgendermaßen: „All die Konstanten, die einst vom leuchtenden Intellekt errichtet worden sind, erweisen sich auf einmal als wankelmütige Gefährten im Sturm des Lebens, wenn die Gefühlswelt ihre Hoheit anmeldet.“(10)

La Maschera del Demonio

Wie auch häufig im gotischen Roman präsentiert der Film La Maschera del Demonio uns die Geschichte einer Familie, die einer Bedrohung ausgesetzt ist. Diese dringt allerdings nicht von Außen ein, sondern hat ihren Ursprung innerhalb der Familie. Im Moldawien des 17. Jahrhunderts wird die Hexe Asa mit der von Dornen übersäten Maske des Teufels beschlagen. Sie legt einen Fluch auf die gesamte Familie Vaida. Danach soll sie mit ihrem Geliebten, der beschuldigt wird, ein Vampir zu sein, auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden, doch ein plötzlicher Regen verhindert dies. Viele Jahre später reisen zwei Ärzte zu einem medizinischen Kongress. Der ältere der beiden mit dem Namen Dr. Kruvajan entdeckt zufällig das Grab der Hexe Asa und erweckt sie zu neuem Leben. Kurz darauf treffen die beiden Ärzte auf Katia, eine Nachfahrin von Asa. Der junge Arzt Gorobeck verliebt sich in sie. Asa und ihr untoter Geliebter ermorden Dr. Kruvajan und nehmen von seinem Körper Besitz. Je mehr Blut sie saugen, desto mehr Macht und Schönheit erlangen sie zurück. Um wieder ihr vollständiges altes Antlitz zu erlangen, benötigt Asa das Blut von Katia. Doch bevor ihr dies gelingt, bringt sie der aufgebrachte Mob des Dorfes zum Scheiterhaufen und verbrennt sie.

Die Erzeugung einer unheimlichen Atmosphäre durch die Lichtgestaltung
Bereits in der ersten Sequenz des Films, in welcher Asa von ihrem eigenen Bruder verdammt wird und in seinem Auftrag gebrandmarkt und mit der Maske Satans getötet wird, wird deutlich, wie Bava die artifiziellen Mittel des Studios nutzte, um eine beklemmende und surreale Atmosphäre zu schaffen. Die Kamera fährt zurück von einem lodernden Feuer und offenbart uns die apokalyptische Szenerie eines dunklen Zeitalters. Abgestorbene Äste stehen im Vordergrund des Bildes, dahinter befinden sich von Gewändern vermumte Männer mit Fackeln in den Händen. Die ganze Szenerie ist eingetaucht in einen leichten Nebel. Die Lichtquelle ist nicht im Bildkader zu sehen, nur ein leichter Lichtschein am oberen Bildrand simuliert den Mond in dieser alptraumhaften Kulisse. Die erste Großaufnahme, die der Film uns präsentiert, zeigt Barbara Steele als Asa. Sie ist in einem High-Key Stil ausgeleuchtet. Sie erstrahlt in dieser Einstellung nicht und hebt sich kaum vom grauen Hintergrund ab, sondern scheint darin zu verschwinden. In dieser Sequenz verwendet Bava einen sehr weichen Kontrast, es dominieren Grautöne. Bereits hier wird deutlich, wo er die Figur Asa ansiedelt, sie ist schön und anziehend, strahlt aber gleichzeitig auch etwas Bedrohliches aus, wie der Mond, der ihr Gesicht anleuchtet. Sie befindet sich jenseits von Gut und Böse, von Weiß und Schwarz. Asa ist zu Beginn des Films in einer Grauzone angesiedelt.

Ihr Sarg wird daraufhin in einer Krypta aufgestellt. In dieser Szene herrscht ein Low-Key Stil vor. Der Raum ist in Schwarz getaucht, nur der Sarkophag wird von der linken oberen Seite beleuchtet. Mit dem Einsatz des Seitenlichts lenkt Bava den Blick und die Aufmerksamkeit des Zuschauers auf die Grabstätte der Antagonistin. Durch den komplett schwarzen Vordergrund und den Zoom weg vom Sarkophag erhält die Einstellung eine enorme Tiefe. Der Spitzbogen in der Mitte des Bildes weist auf einen gotischen Baustil hin. Bava setzt das von der Seite eintreffende Licht als ein Schlaglicht ein. Diese Technik hat ihren Ursprung in der Chiaroscuro Maltechnik, der Hell-Dunkel-Malerei, die während der Spätrenaissance und im Barock entwickelt wurde. Der Terminus Schlaglicht „bezeichnet in der Malerei einen lebhaften Lichtstrahl, durch welchen man einen Gegenstand vorzüglich hell hervortreten lässt.“(11) Der Maler Michelangelo Merisi da Caravaggio setzte diese Art der Lichtdarstellung häufig in seinen naturalistischen dramatischen Bildern ein.

Nach dem Zeitsprung innerhalb des Films sehen wir die beiden Ärzte in einer Kutsche. Es folgt eine Einstellung, welche die folgenden Ereignisse und die Bedrohung durch die Hexe Asa bereits andeutet. Mehr als die Hälfte des Bildkaders ist bedeckt mit schwarzen abgestorbenen Ästen. Durch diese hindurch erkennt der Zuschauer die Kutsche, welche auf die Kamera zufährt. In dieser Einstellung herrscht kein Kontrast zwischen Schwarz und Weiß vor, sondern zwischen Schwarz und Grau. Bava präsentiert uns hier das Bild eines von abgestorbenen Bäumen gesäumten Weges, wie er auch in vielen Abbildungen von Märchen anzutreffen ist. Dante Alighieri beschreibt einen ähnlichen Wald in seinem Werk Die göttliche Komödie:

„Grad in der Mitte unsrer Lebensreise
Befand ich mich in einem dunklen Walde,
Weil ich den rechten Weg verloren hatte.
Wie er gewesen, wäre schwer zu sagen,
Der wilde Wald, der harte und gedrängte,
Der in Gedanken noch die Angst erneuert.
Fast gleichet seine Bitternis dem Tode,...“(12).

Der Zuschauer gelangt durch die enorme Begrenzung des Bildraums in einen alptraumhaften klaustrophobischen Zustand, sein Blickfeld ist beschränkt und umringt von schwarzem Gestrüpp. Bereits Balazs sah im dunklen Wald ein filmisches Motiv, daß Angst erzeugt: „ Die unheimlich-deutlichen Gebärden der schwarzen Bäume im nächtlichen Wald machen auch dem nüchternsten Philister bange.“(13) Das Bild ist in sich geschlossen, dies verweist bereits auf die zukünftige prekäre Lage der beiden Wissenschaftler. Sie können ihrem Schicksal nicht mehr entkommen.

Als die beiden in die Krypta hinabsteigen, lässt Bava unseren Blick mit Hilfe eines 360 Grad Schwenks durch den Raum schweifen. Wieder setzt das Licht den Akzent auf den Sarkophag von Asa. Die anderen Särge befinden sich im Halbschatten oder im Dunkeln, nur Asas Grabstätte ist durch ein Oberlicht be-
leuchtet, dieses simuliert den Mond. Zwar führt der Schwenk unseren Blick, aber das Licht setzt den bedeutenden Akzent auf ein Objekt. Der in dieser Szene vorherrschende Kontrast zwischen Licht und Dunkelheit verstärkt die bedrohliche Stimmung der Krypta. Die Geheimnisse der Familie Vaida liegen für die beiden Protagonisten im Dunkeln, genauso wie die Gefahren, die dort lauern, wie zum Beispiel die große Fledermaus.

Als die zwei Helden die Krypta verlassen, treffen sie auf Prinzessin Katia. Hier fällt besonders auf, dass Bava für diese Figur eine vollkommen andere Beleuchtung verwendet als bei Asa. Durch einen hellen Scheinwerfer von vorn setzt er sie ab vom schwarzen Hintergrund. Ihre Schönheit erscheint makellos, dennoch wirkt ihr Gesicht sehr kantig. Außerdem setzt Bava hier ein Spotlight auf die Augenpartie von Barbara Steele. Ihre Augen erscheinen dadurch noch schöner und zugleich trauriger. Auch hier haben wir es mit einem bekannten Lichtelement aus der barocken Malerei zu tun, dem sogenannten Glanzlicht. Wie das Schlaglicht setzt diese Lichtdarstellung Akzente, mit diesem Terminus „bezeichnet man den Anteil des Lichts, der von Oberflächen reflektiert wird.“(14)

Wie sehr der Regisseur in der Lichtsetzung Kontraste zwischen den unterschiedlichen Figuren setzte, fällt nochmals gegen Ende des Films auf. Es gibt eine Einstellung, in der die totgeglaubte Katia aufgebahrt in der Krypta liegt, genau an der Stelle, an der zuvor die Hexe Asa lag. Im Gegensatz zur vorherigen Szene erscheint der Raum allerdings bedeutend gleichmäßiger beleuchtet. Katias Körper und der sie umgebende Raum wirken durch das Licht gereinigt. In dieser Einstellung herrscht kein hartes und kantiges Schlaglicht vor, sondern ein wohl temperiertes weiches Licht, welches dem Raum eine ruhigere Atmosphäre verleiht.

Die wohl berühmteste Sequenz des Films, die Auferstehung von Asa, erhält ihre Wirkung fast vollständig durch die Lichtgestaltung. Barbara Steele strahlt in dieser Szene etwas Bedrohliches und zugleich erotisch Anziehendes aus. Ihre durch Atmung auf- und absinkenden Brüste und ihr von Narben gezeichnetes Gesicht spiegeln diese Dialektik der Figur Asa wider. Mit Hilfe eines Glanzlichts setzt Bava hier wieder einen Akzent auf die großen Augen von Barbara Steele und betont die hypnotische Wirkung, die von ihnen ausgeht.

 

Licht und Schatten

Mario Bava setzte das Licht und die Schatten nicht nur ein, um eine Stimmung bei den Zuschauern zu evozieren, sondern er visualisierte auch die Gemütszustände und Gefühle der Charaktere. So stellt zum Beispiel die Lichtstärke eine Form von Stimmungsbarometer der Figuren dar. Dies wird besonders in einer Sequenz deutlich. Die Protagonisten sitzen in einer Schenke und trinken Wein. Das Set erstrahlt durch eine starke High-Key Ausleuchtung. Die fröhliche Stimmung der Figuren wird durch das helle Licht, welches durch Rauchschwaden besonders sichtbar gemacht wird, nochmals verdeutlicht. Es gibt keine dunklen Schatten in dieser Einstellung. Erst als das Zimmermädchen der Schenke das Lokal verlässt, kehren die Schatten zurück. Nach der Auferstehung von Asa überwiegen diese mehr und mehr.

Doch mit der Lichtgestaltung visualisierte Bava auch die Ängste der einzelnen Figuren. Das Schlafgemach des Fürsten Vaida scheint von den Schatten eingenommen zu sein. Durch dezenten Lichteinsatz im Bildhintergrund, welches den Mondschein suggeriert, und mit Hilfe eines Schlaglichts von der rechten Seite erzeugt Bava einen enormen Tiefeneffekt. Dieser wird noch unterstützt durch die Anordnung unterschiedlicher Requisiten, wie zum Beispiel den Bettpfosten oder einem kleinen Tisch. Das Auge des Betrachters bekommt somit immer neue Reize geboten und dringt immer mehr in das Bild ein, in einen Alptraum aus Schatten. Außerdem haben wir es in dieser Einstellung mit einem Licht zu tun, das ständig zum Schatten tendiert. Es flackert auf dem Gesicht des Fürsten. Das Spiel von Licht und Schatten spiegelt somit die Angst und die Ausgeliefertheit dieser Figur wider und steigert die alptraumhafte Stimmung dieser Sequenz.

Als der Geliebte von Asa vor dem Schlafzimmer auftaucht, lässt Bava diesen mit Hilfe eines Dimmer-Effekts aus dem Nichts auftauchen. Ein von links unten eingesetztes Seitenlicht lässt ihn bedrohlich wirken. Er schwebt durch den Raum, und das Spiel von Licht und Schatten zuckt auf seinem Gesicht.
Doch die kontrastreiche Lichtgestaltung hat auch die Rolle eines Vorboten inne. Kurz bevor Katia vom Tod ihres Vaters erfährt, dringt das Licht des neu angebrochenen Tages in ihr Schlafgemach. Das Licht und der Schatten, der es durchbricht, wirken durch den Nebel noch plastischer. Mit Hilfe dieses Effekts wird die nun vorgebrachte Botschaft des Bruders bereits vorweggenommen. Es kündigt sich nicht nur ein neuer Tag an, symbolisiert durch das Licht, sondern damit verbunden auch ein einschneidendes negatives Erlebnis, nämlich der Tod des Vaters, symbolisiert durch den das Licht durchtrennenden Schatten.
Der psychologische Einsatz des Spiels von Licht und Schatten findet auch Verwendung in Sequenzen, die an sich nichts Unheimliches präsentieren. Als Katia nach dem Tod ihres Vaters durch den Schlosspark wandert, bleibt sie an einem Brunnen stehen. Die Szenerie ist hell erleuchtet, doch die sprudelnde Fontäne des Brunnens wirft einen sich ständig bewegenden weichen Schatten auf Katias Gesicht. Bava verwendet hier den Normal-Stil der Lichtsetzung, das heißt „er zeigt die Objekte in etwa so, wie wir sie bei normalem Tageslicht sehen.“(15) Durch die Hervorhebung des sich bewegenden Schattens auf Katias Gesicht gibt Bava der Sequenz dennoch eine geheimnisvolle Note und spiegelt den seelischen Zustand der Figur wider. Die Ereignisse innerhalb ihrer Familie, besonders der Tod ihres Vaters, haben Spuren in ihrer Seele hinterlassen. Ihr trauriger Gesichtsausdruck wird durch die schattenhafte Reflektion der Fontäne auf ihrem Gesicht noch unterstrichen.

Doch Bava setzte das Licht und die damit verbundenen Schatten nicht nur zur Psychologisierung der Figuren ein, oder um eine unheimliche Atmosphäre zu erzeugen. Er verwendete das Spiel von Licht und Schatten auch als eine Form von Spezialeffekt. Dies wird vor allem in der Sequenz deutlich, in welcher der Geliebte von Asa im Geheimgang der Krypta vor dem Sohn des Fürsten aus dem schwarzen Teil des Gemäldes erscheint. Der Schauspieler befindet sich in dieser Einstellung nicht vor, sondern hinter der Kamera. Er wird mit Hilfe einer Glaswand in die Szene projiziert. Der Darsteller wird mit einem Dimmer-Effekt langsam auf die Glasscheibe reflektiert. Für den Zuschauer wirkt das Ganze so, als würde die Figur aus dem Nichts auftauchen. Dies ist nur ein Beispiel für die Verwendung des Lichts zum Erzeugen von magischen Tricks bei Bava.

 

I tre volti della Paura

Die Entwicklung des Farbfilms brachte der Filmindustrie und damit auch den Regisseuren neue Möglichkeiten. Im Bezug auf das Horrorgenre bedeutete dieser technische Fortschritt vorrangig, dass von nun an das Blut nicht mehr nur ein schwarzer Brei auf der Leinwand war, sondern in einem knalligen Rot zu sehen war. Es entwickelte sich im Laufe der Zeit eine Vorliebe für diese Farbe. Nach Georg Seeßlen hat sie eine Doppelfunktion im Horrorfilm: „Sie ist das Zeichen für den Blutmythos [...] Rot ist andererseits auch die Farbe der Macht, den Herrschern vorbehaltenes Zeichen der Unantastbarkeit.“(16)

Durch den Farbfilm war es den Filmemachern möglich, mehr visuelle Informationen und Reize auf dem Zelluloid unterzubringen. Für Bavas Filme bedeutete dies somit einen noch größeren kreativen Fundus von verschiedenen Möglichkeiten zur Erschaffung einer Atmosphäre. Das Spiel von Licht und Schatten war erweitert worden um die Welt der Farben. Bavas Stil der Lichtsetzung zur Erschaffung einer Atmosphäre und zur Psychologisierung seiner Figuren wurde damit komplexer. Der Kritiker Seeßlen sieht in der farblichen Gestaltung der italienischen gotischen Horrofilme auch ein größeres künstlerisches Potential als in den britischen Hammer-Produktionen der damaligen Zeit: „Eine bewusste Imitation waren die italienischen Filme indes nur anfänglich; insbesondere die Verwendung der Farbe für die Zeichnung einer düsteren Atmosphäre beherrschten die italienischen Regisseure oft besser als die der Hammer-Productions.“(17)

Bava wird gerade durch seine Arbeit mit Farben häufig als Maler bezeichnet. Wie er zu diesem Ruf kam, soll in der folgenden Analyse genauer untersucht werden.

 

Exposition und Il Telefono

Boris Karloff, der auch die Hauptrolle in der Episode Il Wurdalak spielt, fungiert zu Beginn und am Ende des Films als Moderator. Bereits in der Exposition zur ersten Episode zeigt Bava die ganze Farbenpracht seiner künstlerischen Lichtgestaltung. Karloff steht vor einem meeresblauen Hintergrund, im Vordergrund befinden sich violett erstrahlende Steine. Die Farben tanzen auf Karloffs Gesicht. Mal ist er hell und blass beleuchtet wie eine Leiche, dann Violett, Blau, oder in ein starkes Rot getaucht. Bava schwankt mit dieser Farbenpracht zwischen kühler und warmer Atmosphäre und präsentiert bereits die in den Episoden vorherrschenden Farben.

In der Episode Il Telefono wird das Callgirl Rosy von einem anonymen Anrufer terrorisiert. Dieser teilt ihr mit, dass er sie töten will. Rosy glaubt, dass die Anrufe von ihrem Zuhälter und Ex-Freund Frank kommen, der aus der Irrenanstalt entkommen ist. Sie bittet ihre Freundin Mary, ihr Beistand zu leisten, obwohl die beiden Frauen sich zuvor zerstritten haben. Doch Rosy ahnt nicht, dass Mary für die Anrufe verantwortlich ist. Am Ende des Films dringt Frank in die Wohnung ein und erwürgt Mary, bevor er von Rosy erstochen wird.
Die Wohnung von Rosy ist zunächst nur spärlich, also in einem Low-Key Stil ausgeleuchtet. Erst durch das Anschalten des Lichts an diversen Stellen herrscht ein High-Key Stil vor. Doch als Mary getarnt als Frank anruft und berichtet, dass sie sich am schönen Körper des Callgirls im hellen Raum ergötzt und Rosy verdächtige Schritte vernimmt, schaltet sie wieder einige Lampen aus. Die Paranoia der Figur wird durch die von den Schatten verschluckte Wohnung nur noch verstärkt. Bava visualisiert diesen psychischen Zustand von Rosy durch ein extrem helles Unterlicht, welches er auf ihr Gesicht legt.
Rot und Blau sind die vorherrschenden Farben in dieser Episode des Films. Der sinnliche Mund der Protagonistin ist knallig Rot, genauso wie das Telefon und das Bett. Das Mobiliar der Wohnung ist Blau, das durchschimmernde Nachthemd von Rosy ist ebenfalls in einem leichten Blauton gehalten. Bava erzeugt somit eine kühle und zugleich warme Atmosphäre, die Figuren sind hin- und hergerissen zwischen Anziehung und Ablehnung.

Bava setzt erneut das Licht und die Farben als Vorboten von unheilvollen Ereignissen ein. Während Mary ihre schriftliche Entschuldigung verfasst, sitzt sie am Schreibtisch, hell erleuchtet durch eine Lampe. Der Raum hinter ihr ist in ein kühles Blau getaucht. Dieser Teil der Wohnung zeigt nicht nur den Beginn eines neuen Tages an, sondern visualisiert die von Außen eindringende tödliche Gefahr, verkörpert von dem Mörder Frank. Diese Figur bringt den Tod mit sich, die kalte Farbe Blau umringt ihn und kündigt seine Ankunft in dieser Sequenz bereits an. Das gelbliche warme Licht der Schreibtischlampe wird in dieser Szene durchbrochen vom kalten blauen Farbton.

Die letzte Einstellung der Episode weist eine sehr hohe Farbsättigung auf. Der linke Teil des Raumes ist in einem warmen Gelb gehalten, der rechte Bereich der Szenerie, den Frank durchschritt, weist ein kühles Blau auf. Als enormer Farbkontrast fungiert das knallrote Telefon im Bildvordergrund. Die kälteste Farbe Violett, erzeugt durch das Mischen von Rot und Blau, befindet sich auf der toten Mary. Die Ereignisse kulminieren also in diesem farbenprächtigen Ende. Die vorher verwendeten Farbtöne werden in diesem Schlussbild noch einmal zusammengefügt.

Die Episode Il Telefono stellt die Schwächste der drei dar. Dennoch gelingt es Bava hier, die im Raum herrschende Stimmung zwischen den Charakteren durch die farbliche Gestaltung zu unterstützen. Es handelt sich dabei um eine knisternde Atmosphäre von sexueller Anziehung und unterdrückter Gewalt. Die kurze Geschichte stellt außerdem einen kleinen giallo dar. Er weist viele Kriterien dieses Genres auf. Leon Hunt beschreibt den giallo als ein Konglomerat verschiedener Filmgattungen: „[...] the peculiarly Italian mixture of thriller, sexploitation and horror/terror conventions...“(18). Außerdem beinhaltet Il Telefono bereits die für den giallo typischen farblichen Elemente wie die Farben Rot, Blau und natürlich Gelb. Auch das Messer als Tatwaffe und die für dieses Genre typischen schwarzen Handschuhe tauchen darin auf. Bava griff somit zu einem Genre, das er bereits ein Jahr zuvor selbst etabliert hatte mit seinem Werk La Ragazza Che Sapeva Troppo und ein Jahr später mit dem Film Sei Donne Per L’Assasino (Blutige Seide) perfektionieren sollte.

 

Il Wurdalak

In dieser Episode kehrt Bava noch einmal zurück zur klassischen Gruselgeschichte im Stil der schwarzen Romantik. In dieser auf der Kurzgeschichte von Alexei Tolstoi basierenden Episode spielt Boris Karloff Gorka, den Patriarchen einer Bauernfamilie, der von der Ermordung eines Verbrechers zurückkehrt und den einzelnen Familienmitgliedern nach und nach das Blut aussaugt und sie somit zu Vampiren macht.

Bereits durch die farbliche Gestaltung des Gehöfts weist Bava auf das Zuhause einer dem Untergang geweihten Familie hin. Ihr Haus ist umschlossen von einem kühlen Blau, umringt von einem dichten Nebel. Der Regisseur erzeugt hier nicht nur eine geheimnisvolle Stimmung, sondern präsentiert uns das Heim einer Familie, die von der kalten Hand des Todes bereits ergriffen ist. Das Innere des Hauses ist in einem Low-Key Stil ausgeleuchtet. Farben herrschen hier kaum vor, stattdessen ein starker Kontrast zwischen Hell und Dunkel, wie Bava ihn auch in früheren Filmen anwandte. Auffällig ist hier, dass durch die Fenster blaues Licht einströmt. Ein erneutes Zeichen für die von Außen eindringende Gefahr. Diese Farbe symbolisiert hier nicht nur die Bedrohung, welche vom Wurdalak ausgeht, sondern ist auch ein Hinweis auf sein Dasein als ein Untoter: „[...] this acts as subtle indication of Gorka’s new status as an undead...“(19). Bava unterstützt diese Wirkung des blauen Lichts noch mit Hilfe eines kalten violetten Farbtons auf dem Gesicht des leichenblassen Gorka.
Doch der Charakter von Wurdalak wird noch mit anderen Farben beschrieben. Als Gorka bei seiner Familie ankommt, setzt er sich an das lodernde Feuer des Kamins. In dieser Einstellung schwankt das Farbspektrum zwischen einem leichenblassen Weiß, einem blutigen Rot, und einem kalten Violett. Bava verdeutlicht hier die der Figur innewohnende Gier nach Blut und verstärkt mit dem Farbenspiel den Wahnsinn auf Karloffs Gesicht.

Mit der Rückkehr des Patriarchen taucht auch die Farbe Blau im Inneren des Hauses auf, sie schleicht sich langsam in die Ecken und Winkel der Zimmer. Der Tod hat somit Einzug in die Behausung der Familie gehalten. Als Gorka sich des ersten Familienmitglieds bemächtigt, betritt er das Schlafzimmer seines Enkels. Während die Eltern des Jungen von einem leichten blauen Schimmer bedeckt sind, liegt der Enkel Iwan in einem tiefen Blau. Die farbliche Gestaltung dieser Sequenz fungiert hier erneut als Vorbote der bevorstehenden Ereignisse. Die Familie ist dem Tode geweiht, umschlungen vom kalten Hauch des Verderbens, symbolisiert durch die Farbe Blau.

Selbst als Vladimir mit seiner Geliebten Sdenka in eine Ruine flüchtet, verfolgt sie diese Farbe. Auch die letzte Lebendige der Familie kann ihrem Schicksal nicht entkommen.

Bava greift hier ein Thema auf, welches viele seiner Werke durchstreift. Es geht um die systematische Zerstörung einer Familie durch ein Familienmitglied. Dies war bereits in seinem Regiedebüt ein Thema und zum Beispiel in einem seiner letzten Filme mit dem Titel Schock. Doch während er in diesem späten Werk eher auf eine realistische Lichtgestaltung Wert legte, ist die Episode Il Wurdalak zutiefst artifiziell gestaltet. Gerade durch den Einsatz eines kalten blauen Farbtons erzeugt Bava einen familiären Alptraum, aus dem es kein Entkommen gibt. Die langsame Steigerung der Präsenz dieses Farbtons verstärkt die klaustrophobische Wirkung der Bilder.

 

La goccia d’acqua

In dieser letzten Episode stiehlt die Krankenschwester Nancy einer toten Frau einen Diamantenring. Kurz darauf wird sie von einer aufdringlichen Fliege belästigt, die immer wieder auf ihren Ringfinger fliegt. Als sie wieder zu Hause ist, vernimmt sie das Tropfen eines Wasserhahns, auch die Fliege ist in ihrer Wohnung. Selbst nachdem die Krankenschwester alle Wasserhähne kontrolliert hat, erklingt weiterhin das Tropfen. Der Strom fällt aus, und die Tote erscheint vor ihr. Am nächsten Morgen wird die junge Frau tot in ihrer Wohnung aufgefunden. Es scheint, als habe sie sich selbst erwürgt. Den Ring trägt nun ihre Vermieterin, doch auch sie wird plötzlich von einer Fliege belästigt.
Bava führt zunächst die Lichtquelle ein, welche im späteren Verlauf des Films zu einem wichtigen spannungserzeugenden Element wird. Außerhalb der Wohnung befindet sich eine defekte Straßenlaterne, welche einen aufflackernden grünen Lichtschein in das Apartment wirft.

Als die Krankenschwester Nancy in der Residenz der Verstorbenen angekommen ist, öffnet ihr die Haushälterin die Tür. Aus einer Untersicht präsentiert uns die Kamera den Eingangsbereich des großen Anwesens der alten Dame. Durch unterschiedliche Farbtöne erreicht Bava hier eine surreale Lichtstimmung. Außerdem bekommt der Raum durch die Position der Kamera eine enorme Tiefe. Während der obere Teil der Halle in ein kaltes Violett getaucht ist, erstrahlt der linke Teil des Raumes in einem grellen giftigen Grün. Bava steigert die surreale Stimmung der Sequenz durch die chaotische Anordnung verschiedener Objekte am Boden. Dort liegen Karten von spiritistischen Sitzungen, kleine Puppen und umgestoßene Möbel. All diese Objekte gepaart mit dem grellen Grün hinterlassen ein unbehagliches Gefühl beim Zuschauer.

Das Sterbebett der alten Dame ist in einen bunten wabernden Reigen von Farben getaucht. Diese scheinen zu schwimmen und tanzen sowohl auf dem Gesicht der Toten als auch auf dem der Krankenschwester. Bava greift hier bereits das Motiv des Wassers auf, daß im Verlauf der Ereignisse eine große Bedeutung haben wird und als Ankündigung der Rache der Toten fungiert.
Als Nancy wieder ihre Wohnung betritt, erscheint erneut die Fliege, und das Geräusch des Wassertropfens ertönt. Diese beiden Elemente verkörpern das schlechte Gewissen der Protagonistin, sie führen ihr immer wieder ihre schlechte Tat vor Augen. Auch die draußen flackernde Laterne hat nun eine ganz andere Bedeutung als zu Beginn des Films. Das Licht der Laterne symbolisiert den Verdrängungsakt von Nancy und taucht die Wohnung mal in ein tiefes Schwarz, dann wieder in ein grelles Grün.

Urplötzlich verändert Bava die Stimmung der Szene. Das Licht in der Wohnung geht aus, Nancy gerät in Panik. Jetzt herrscht nur noch das flackernde kalte Grün der Strassenlaterne vor. Bava steigert hier die Atmosphäre ins Unermessliche, indem er den Raum im Schwarzen versinken lässt. Der Zuschauer kann seiner Phantasie und seiner Angst nun freien Lauf lassen.
Diese letzte Episode des Films stellt die spannendste der drei Geschichten dar. Besonders durch das Spiel von Licht und Dunkelheit am Ende des Films erzeugt Bava ein Gefühl des Unbehagens im Betrachter. Die kommenden Ereignisse liegen im Dunkeln und können somit weder von Nancy noch vom Zuschauer vorhergesehen werden.

 

Fazit

Der moderne Horrofilm versucht eine vollkommen andere Wirkung beim Zuschauer zu erzeugen als die Werke von Mario Bava. Dies hat sicherlich auch damit zu tun, dass das Kino mit der Zeit gehen muss und die Sehgewohnheiten des Publikums bedienen will. Die besonders durch das Musikfernsehen verbreitete rasante Montage und das Einfügen von zahlreichen Subliminalbildern in den Horrorfilm dienen heute mehr den je zur Verwirrung und zum Schockieren des Zuschauers. Ein gutes Beispiel für diese Entwicklung ist das Remake von The hills have eyes von Alexandre Aja. Während das Original von Wes Craven eher eine ruhige Montage aufweist, bedient sich das Remake einer schnelleren Schnitttechnik und setzt dem modernen Anspruch gerecht auch mehr auf Splatter-Szenen.

Doch gerade im Bereich der neueren Horrorfilme, die sich bemühen, eine klassische Gruselgeschichte zu präsentieren, ist der Einfluss von Mario Bava unübersehbar. So geben zum Beispiel Regisseure wie Tim Burton offen zu, dass sie sich beim italienischen Filmemacher bedient haben. Burton sagte in einem Interview, dass er sich für die atmosphärische Gestaltung seines Films Sleepy Hollow verschiedene Motive von Bava entliehen hatte. So zum Beispiel das Motiv des dunklen Waldes aus La Maschera del Demonio. Auch Sean Cunningham bediente sich für seinen Slasherfilm Friday the 13th bei Mario Bavas Film The Twitch of the death nerve. Er ging dabei allerdings soweit, daß er ganze Szenen so inszenierte, wie Bava es in seinem Film getan hatte. Unter diesem Gesichtspunkt kann man schon von einem Plagiat sprechen.

Es sind gerade europäische Regisseure des Horrorfilms, die eine ähnliche atmosphärische Lichtgestaltung präsentieren wie der italienische Filmemacher. Der von Jaume Balaguero realisierte Film mit dem Titel Los Sin Nombre weist eine hohe Farbsättigung auf und zeigt darüber hinaus eine dem Untergang geweihte Welt der Schatten, wie sie Bava bereits in seinen frühen Werken präsentierte. Auch der Film The Others von Alejandro Amenabar stellt eine zutiefst klassische Schauergeschichte dar, die besonders viel mit Licht und Dunkelheit arbeitet und den Einfluss von Bavas Spiel von Licht und Schatten offensichtlich macht. Die farbliche Gestaltung der giallos von Dario Argento ist ebenfalls angelehnt an die des Erfinders dieses Genres. In den damaligen Filmen von Mario Bava lässt sich etwas ausmachen, daß in den modernen Horrorfilmen fast gänzlich verschwunden ist. Nämlich eine gruselige Atmosphäre, die beinahe vollständig auf der lichtgestalterischen Komposition der Werke beruht. Besonders mit Hilfe des kontrastreichen Spiels von Licht und Schatten gelang es Bava, eine alptraumhafte und pulsierende Stimmung zu erzeugen. Die Zutaten für den modernen Horrorfilm sind hingegen zum größten Teil Special-Effects und eine schnelle Montage, die den Zuschauer regelrecht überrollt. Die für heutige Sehgewohnheiten langsamen Filme von Mario Bava können dem Zuschauer, der sich auf seine Werke einlässt, helfen, seinen Blick für Farben und für die gestalterische Bedeutung von Licht und Schatten im Film zu schulen. Gerade in der farblichen Gestaltung im Film setzte Bava Maßstäbe und erkannte die Möglichkeiten des Farbfilms. Denn wer seine Werke anschaut und „glaubt einfach nur Farben zu sehen, der liegt falsch. Es sind Farben, die uns alles über uns selbst erzählen. Es sind zutiefst anbetungswürdige Farben.“(20)

 

Anmerkungen

(1) Monaco, James: Film Verstehen. Rowohlt Taschenbuch Verlag Reinbek bei Hamburg 1995, Seite 566.
(2) Paul, Louis: Inferno Italia - Der italienische Horrorfilm. Bertler+Lieber Verlag München 1998, Seite 110.
(3) Paul, Louis: Inferno Italia - Der italienische Horrorfilm..., Seite 4.
(4) Dr. Weiß, Joachim: Meyers Taschenlexikon in 12 Bänden. Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus AG Mannheim 1996, Seite 1336.
(5) Lovecraft, Howard Phillips: Die Literatur der Angst - Zur Geschichte der Phantastik. Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 1995, Seite 24 - 25.
(6) Balazs, Bela: Der sichtbare Mensch oder die Kultur des Films. Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 2001, Seite 59.
(7) Hahn, Ronald M., Jansen Volker: Lexikon des Horrorfilms. Bastei Verlag Bergisch Gladbach 1985, Seite 413.
(8) Seeßlen, Georg: Horror - Geschichte und Mythologie des Horrorfilms. Schüren Verlag München 2006, Seite 268.
(9) Balazs, Bela: Der sichtbare Mensch...Seite 30.
(10) Keßler, Christian: Monster, Mirakel und diese seltsamen Farben. EMS Dortmund 2004, Seite 2.
(11) http://de.wikipedia.org/wiki/Schlaglicht
(12) Alighieri, Dante: Die göttliche Komödie. Reclam Verlag Stuttgart 1976, Seite 4.
(13) Balazs, Bela: Der sichtbare Mensch...Seite 59.
(14) http://de.wikipedia.org/wiki/Glanzlicht
(15) Kandorfer, Pierre: Dumont´s Lehrbuch der Filmgestaltung - Theoretisch-technische Grundlagen der Filmkunde. Dumont Buchverlag Köln 1984, Seite 297.
(16) Seeßlen, Georg: Kino des Phantastischen - Geschichte und Mythologie des Horrorfilms. Rowohlt Taschen- buch Verlag Reinbek bei Hamburg 1979, Seite 39.
(17) Seeßlen, Georg: Horror - Geschichte und Mythologie des Horrorfilms. Schüren Verlag München 2006, Seite 260.
(18) Hunt, Leon: A (sadistic) night at the opera: Notes on the italian horror film. In: Gelder, Ken (Hrsg.): The Horror Reader. Routledge New York 2001, Seite 330.
(19) http://members.tripod.com/mario bava/sabbath.htm
(20) Keßler, Christian: Monster, Mirakel und diese seltsamen Farben..., Seite 2.

Literaturverzeichnis:

Alighieri, Dante: Die göttliche Komödie. Reclam Verlag Stuttgart 1976.

Balazs, Bela: Der sichtbare Mensch oder die Kultur des Films. Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 2001.

Hahn, Ronald M., Jansen Volker: Lexikon des Horrorfilms. Bastei Verlag Bergisch Gladbach 1985.

Hunt, Leon: A (sadistic) night at the opera: Notes on the italian horror film. In: Gelder, Ken (Hrsg.): The Horror Reader. Routledge New York 2001.

Kandorfer, Pierre: Dumont´s Lehrbuch der Filmgestaltung - Theoretisch-technische Grundlagen der Filmkunde. Dumont Buchverlag Köln 1984.

Keßler, Christian: Monster, Mirakel und diese seltsamen Farben. EMS Dortmund 2004.

Lovecraft, Howard Phillips: Die Literatur der Angst - Zur Geschichte der Phantastik. Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 1995.

Monaco, James: Film Verstehen. Rowohlt Taschenbuch Verlag Reinbek bei Hamburg 1995.

Paul, Louis: Inferno Italia - Der italienische Horrorfilm. Bertler+Lieber Verlag München 1998.

Seeßlen, Georg: Horror - Geschichte und Mythologie des Horrorfilms. Schüren Verlag München 2006.

Seeßlen, Georg: Kino des Phantastischen - Geschichte und Mythologie des Horrorfilms. Rowohlt Taschenbuch Verlag Reinbek bei Hamburg 1979.

Dr. Weiß, Joachim: Meyers Taschenlexikon in 12 Bänden. Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus AG Mannheim 1996.

VI. Internetverzeichnis:

http://de.wikipedia.org/wiki/Schlaglicht

http://de.wikipedia.org/wiki/Glanzlicht

http://members.tripod.com/mario bava/sabbath.htm